Chronik der Familie Haeger (Auszüge) - Nach dem Ersten Weltkrieg
Dann brach der Krieg 1914 aus, und Reinhard
wurde ein Jahr danach eingezogen. Ich ging von Großtychow
bei Administrator Müller fort und wirtschaftete nun in Mandelatz
weiter, bis ich 1916 zur Maschinengewehrkompanie nach Königsberg in
Ostpreußen eingezogen wurde. Meine Mutter hat nun wieder allein die
Wirtschaft geführt, bis ich im Herbst 1917 aus Rußland/Polen/Wilna/Kowno/Krewo
entlassen wurde. Ich kam zum Ersatztruppenteil nach Stettin, wurde zum
Heuen an die Oderwiesen kommandiert, fiel hierbei in die Oder, ertrank
fast und wurde als "g. v. Heimat" nach Mandelatz entlassen, da meine Mutter
reklamiert hatte.
Sie hat mir Mandelatz dann gerichtlich verschreiben lassen, und ich
war Besitzer bis 1920 unter der Bedingung, daß Bruder Reinhard keinen
Anspruch darauf erhob. Dies tat er 1920. Er war im Felde bei der Armee
Fernsprechabteilung 15 und verheiratete sich 1915/16 mit einziger Tochter
Ella
Knop, Pumlow, deren Wirtschaft 140 Morgen groß war. 1920/21 verkauften
sie dort und kamen nach Mandelatz (Gustav Knop, Bernhard und Emma
Hausmädchen, die bis heute 35 Jahre im Hause Knop/Haeger ist). Das
Geld, das in Mandelatz nicht in die Wirtschft gesteckt wurde, ging zum
Teil verloren. Später sind in Pumlow zwei Bauernhöfe, die beide
gut waren, daraus entstanden.
Gustav Knop, der Vater von Ella Knop, hatte viele Jahre die Gemeindejagd
bejagt, und auch Reinhard blieb einstweilen in Pumlow, hatte aber durch
Zureden anderer den Drang nach Mandelatz. Der Zuzug erfolgte wie vorher
gesagt.
Reinhard baute nun das alte Gutshaus in Mandelatz zu einem Landhaus
mit Frontspiß und zwölf Zimmern um. Eine Bretterscheune auf
dem Hof links wurde gebaut. Da das ganze Gebäude links schlecht und
baufällig war, fing ich 1917/18 schon beim Bau des Pferdestalles mit
Maurermeister Kreitlow, Dubberow, an, und wir errichteten daneben anschließend
eine Kutschwagenremise. Nach einigen Jahren wurden dann auch der heutige
Schafstall und die Kellerscheune von mir gebaut, und das ganze Gelände
war in seiner vollen Länge (ca. 100 m) neu. Eine Bretterscheune wurde
von Reinhard gebaut (Koltermann, Zadtkow).
1917 war ich drei Wochen auf Herbst-Ernteurlaub aus Rußland in
Mandelatz und hatte schon einige Jahre vorher Verbindung mit dem Nachbarförster
Eduard Voelz, Dubberow, aufgenommen, dem ich zum größten Teil
meine jagdlichen sowie forstlichen Kenntnisse verdanke. Denn wenn ich auf
Urlaub war, mußte ich auch zu Voelz gehen, und es wurden auch kleine
Drücken veranstaltet, da Voelz auf dem Gut ca. 30 russische Gefangene
mit Wildpret zu versorgen hatte. Wild war viel, ich schoß gut und
war ein gerngesehener Gast. Ich forstete nun in den drei Wochen Urlaub
die Fläche am Waldeingang vom Hause aus rechts auf. Anschließend
durchpflanzte ich die lückige Schonung mit Fichte (Rottanne) vor der
Brücke rechts, die heute ein Alter von 32 Jahren hat und sehr hübsch
und schön aussah, besonders an der Landstraße nach Kiefheide
und an der Feldkante zum Rohrwiesenweg. Voelz besuchte mich hier einmal
bei der Aufforstungsarbeit und borgte mir fast immer seinen Waldpflug und
gab mir Anleitungen. Danach fuhr ich wieder in den Krieg.
Meine Mutter hat in den Jahren 1913/14 noch ein Arbeiterhaus aus weißem
Kalksandstein gegenüber der Schule für August Wiedenhaupt gebaut.
Letzterer war ein sehr geschickter Dachdecker und Arbeiter, der meinem
Vater in den ersten Wirtschaftsjahren beim Dächerumdecken viel geholfen
hat und dafür extra bezahlt wurde. Er verstarb im Kriege 1914/18 an
einem Kehlkopfleiden und ist auf dem Friedhof in Bromberg beerdigt. Übrigens
waren wir beide beim Landwehr Inf. Rgt. 379 im Osten. Wiedenhaupt hat mir
öfter, da er bei der Küche war, mehr Brot gegeben als mir zustand,
und meine Kameraden freuten sich dann. Die Verpflegung war 1917/18 auch
schon knapp. Während Bruder Reinhard sich der Landwirtschft widmete,
bebaute ich den Wald. Da mehrere Holzschläger beschäftigt wurden,
die laufend, Durchforstungs- und Kulturarbeit verrichteten, hatte ich reichlich
Beschäftigung und ging während der Freizeit auf Jagd.
In Kiefheide lag der ganze Acker von Borks, der bisher gut bestellt
war, Brache, da Gut Burzlaff nur zum Teil Landwirtschaft betrieb. Es wurden
wohl gegen 10 Morgen von Frau von Versen für zwei Holzschläger,
die im Wohnhaus von Vorwerk Küth wohnten, bestellt, dazu ein Teil
der Wiesen beim Hause. Der Rest Wiesen wurde von Mandelatz B. geerntet.
Vor den Holzschlägern Gebr. Nitz wohnte der Großförster
Zick in Kiefheide, dem von Burzlaffs Gut gekündigt war. Er hatte darauf
die große Scheune, die dort zum Vorwerk K. gehörte, in Brand
gesteckt und sich anschließend vergiftet.
Inspektor Krumhauer hatte in aller Frühe den Vorfall meiner Mutter
gemeldet, da Vater nicht anwesend war. Vater sah jetzt, daß er in
Bork einen besseren Pächter gehabt hatte. Von mir wurde dann nach
Jahren wieder eine Bretterscheune gebaut. Es waren in Kiefheide wohl gegen
150 Morgen Anflug (Kusseln) und Ödländereien vorhanden, ebenso
in Mandelatz, und der Einschlag der schlechten Bestände brachte teils
nicht die Aufforstungskosten ein. Das Holz wurde von mir dann in der Gegend
zum Teil verkauft, zum Teil an das Sägewerk Kiefheide, Besitzer Adolf
Götz, abgegeben, dem ca. sieben Morgen Acker am Bahnhof abgegeben
wurden.
Aus der Ehe meines Bruder
Reinhard mit Ella Knop waren zwei Kinder:
Sie besuchten die Volksschule in Mandelatz, anschließend das Gymnasium
bzw. Lyzeum in Belgard. Charlotte ist meine Pate.
[...]
Nun noch einmal zur Waldwirtschaft: Die Gebäude in Mandelatz waren
fast alle neu! Ich hatte mein ganzes Augenmerk darauf gerichtet, den Wald
in Mandelatz und Kiefheide in Ordnung zu bringen, und so fing ich in Kiefheide
an.
Es wurden von mir aufgeforstet:
Wie schon erwähnt in Mandelatz am Waldeingang und Brücke ca.
zehn Morgen Pflanzung Kiefer-Fichte, 1945 ca. 32 Jahre alt. Die Fichten
mußten der Telefonleitungen wegen schon gestutzt werden, und wenn
man bei der Brücke bei Schnee und Vollmond einen Hasen schießen
wollte, so war der Schatten der Bäume mitten auf der Brücke.
Mein Vater hat dort bei der Brücke zwei Hasen mit einem Schuß
erlegt und ich an einem Abend bis zu drei Stück, man mußte aber
bis drei Stunden bei 10-15 Grad Kälte sitzen. Es kam vor, daß
der Hase bei Kopfschuß von der Brücke in den Bach sprang, ca.
150 m weit trieb, und dann am anderen Morgen eingefroren im Eis gefunden
wurde. A. Hörenberg hat an der Brücke sechs bis sieben Hasen
Jahre zuvor erlegt, ein Zeichen dafür, wie wenig Hasen jetzt waren.
Ich beschreibe dies absichtlich genauer, da ein Stück Jägerfreude
mit der Brücke verbunden war und es ab und zu gar ein Fuchs wurde.
Auch erlegte ich mal im Halbdunkel einen Terrier statt Katze, der dann
im Leitznitzbach verschwand. Bei mir auf dem Felde waren Rüben und
Saaten und bis zur Brücke eigener Wald. Jenseits der Brücke aber
tausende von Morgen Wald Burzlaff und Dubberow angehörig und nur Waldäsung.
Daher der gute Paß auf der Landstraßen-Brücke, und oft
hörte man kilometerweit in der Ferne einen Schuß, der wie ein
Puff zu hören war.
Weiter habe ich aufgeforstet:
- Kiefheide Grenze-Neuhof-Burzlaff Kiefernsaat ca. 25 Morgen; heute 15-20
Jahre alt.
- Kiefheide Grenze Vietzow-Neuhof Saat Bankskiefer gemischt, 15 Morgen.
- An der Burzlaffer Grenze am Wege nach Zadtkow, 10 Morgen Kiefernpflanzung.
- Ecke bei Abelt Chaussee Kiefer, Fichte am Wege nach Zadtkow, 3-4 Morgen.
- Am Wege nach Vietzow rechts von Götz ca. 40 Morgen Kiefernpflanzung.
- Zwischen Strecke und Chaussee ca. 8 Morgen Kiefernsaat und Nachpflanzung.
- Zwischen Strecke und Dubberow-Burzlaffer Grenze Pflanzung und Saat ca.
35 Morgen. Da ich drei bis vier einjährige Kiefernpflanzen pro Meter
pflanzte, habe ich selten nachbessern brauchen. Auch wurde Kulturpflege
getrieben und - wenn erforderlich - Gras gemäht, und es war oft nicht
leicht, die benötigten Leute dazu frei zu bekommen. Männer haben
mit langen Scheren und Hacken den Ginster bekämpft, der besonders
in Mandelatz gerne wuchs, er vertrocknet alle sieben Jahre von selbst oder
erfriert.
- Am Jagdhaus in Kiefheide Unterbau mit Fichte ca. 1 Morgen. Auch wurde ganz
Mandelatz und Kiefheide nach und nach ordentlich durchforstet und bei ganz
schlechten Beständen Kahlschlag gemacht.
- Beim Pächter Böttcher ca. 10 Morgen mit Kiefer aufgeforstet.
Es war soeben vom Jagdhaus Kiefheide die Rede. Gebaut wurde es mal von
einem Jagdgast Walter Ignatz, Schneidemühl, und Franz Knuth und Familie,
welche dort wochenlang wohnte, hat es später gekauft und vergrößert.
Es lag im herrlichen Tannen- und Kiefernwald ca. 300 m vom Bahnhof, aus
doppelwandigen Brettern mit Nadeln und Moos erbaut. Es bestand aus zwei
Räumen, einem Schlaf- und einem Wohnraum mit grünem Kachelofen
und Herd. Es ging dort oft lustig her, besonders wenn ein Stück Wild
"tot getrunken" wurde.
In Mandelatz aufgeforstet:
- In den Muscheln, wo Bäche, Leitznitzbach-Hasselbach zusammenfließen,
ca. 25 Morgen Kiefer und Fichte.
- An der Brücke links am Wege nach Kiefheide ca. 10 Morgen.
- Die beiden Tannenmulden am Eschengrund 4-5 Morgen.
- Am Dorf ca. 10 Morgen. Es wurde nur mit größeren Schulkindern
und Frauen, die teilweise aus der Gegend waren, gearbeitet.
- Kleine Wildackerschonung ca. 8 Morgen.
- Dachsbauschonung ca. 8 Morgen Kiefer-Fichte, teils nachgebessert mit Fichte.
- In zwei Frühjahren Rohrwiesenschonung angelegt und durch Arbeitslose
hacken lassen; ca. 35 Morgen am Kreuzgestell. Dies war das Herz der Mandelatzer
Jagd. Zu Kulturarbeiten wurde fast immer der Waldpflug benutzt, und Arbeiter
hackten nach. Reihenentfernung 1,10 m - 1,20 m, auf den Meter 3-4 einjährige
Kiefern; Fichte auf 1 m bis 1,20 m Entfernung gebohrt und mit Spaten gepflanzt.
- Moorschonung Kiefer-Fichte-Birke, bis Sekretär Kanzel-Erich Knop ca.
20 Morgen. Hier war später immer Wild, da Wasser und Suhlen vorhanden
waren, und Dachsbau, wo fast immer Fuchs steckte.
- Am Moor, am herrlichen Schnepfenstrich 1 Morgen Fichte-Erle (mit Waldpflug
Streifen gepflügt). Torftrockenplatz.
- Unterbau mit Fichte Rohrwiesenstangenholz ca. 10 Morgen.
- Am Bockberg an der Feldkante und Dubberower Grenze 7 Morgen. Es sind dies
285 Morgen, und die einzelnen Flächen sind nicht zu hoch geschätzt.
Die Kulturen waren schön geschlossen dicht, und es steckte im Laufe
der Jahre überall Wild. Mandelatz und Kiefheide hatten jetzt Standwild,
und wir mußten bestrebt sein, das Wild kurz zu halten, da sonst zu
viel Wildschaden war. Es befanden sich in Mandelatz und Kiefheide je zwei
Wildäcker. Im Frühjahr schoß ich mal an einem Abend aus
einer Rotte drei Überläufer von acht bis zehn Stück mit
Kuske Nr. 4 auf dem Sommerroggen-Hafer Wildbahn von der Kanzel am Gestell
mit Mauser Repetierbüchse 9.3 mm mal 62, 3.5 gr mit Zeiss-Zielvier.
Es befanden sich in Mandelatz und Kiefheide an verschiedenen Stellen Hochsitze
und Kanzeln.
So hat die Familie Haeger in zwei Generationen, Väter und Söhne,
das Gut Mandelatz mit Vorwerk Kiefheide fast ganz neu in Gebäuden
und Wald aufgebaut und nach jeder Richtung hin verbessert. Mandelatz hatte
einen Einheitswert von 93.000 RM und hatte einen Wert von 300.000 RM (Verkaufswert).
Nach dem Tode meines Vaters sind die Nachbarn von Kleist, Dubberow,
öfter an meine Mutter herangetreten, um Mandelatz zu kaufen. Meine
Mutter hatte aber immer aus Rücksicht auf uns beide hin abgelehnt,
was ich ihr heute noch hoch anrechne. Denn wie viele jagdliche Freuden
haben wir im herrlichen, idyllischen Mandelatz gehabt, besonders, da Reinhard
und ich große Jäger waren. So erhielt ich in jedem Jahr vom
Kreisjägermeister einen Jagdpreis für Abschuß von Korkenzieherböcken
und schlechten Hirschen. Auch habe ich im Laufe der letzten 20 Jahre recht
starke Hirsche und den besten Bock im Hegering erlegen können; denn
im stillen, abgelegenen Mandelatz stellten sich immer wieder die stärksten
Hirsche und Keiler
ein.
Dann war im herrlichen Mandelatz der Forellenleitznitzbach, wo ich als
Junge und Mann manche Forelle und manchen Aal wie einen Arm dick auf Nachtangeln
fing und dabei manches Waidmannsheil hatte.
Der Leitznitzbach bildete die natürliche Grenze zwischen Großtychow-Gut-Burzlaff
und Dubberow und umfloß Mandelatz in einer Länge von 2 ½-3
km zu 2/3 durch Wiesen und Wälder. Im Sommer stand der rote Bock auf
den Wiesen und Kleeschlägen, und abends traten die Sauen aus. Im Herbst
röhrten bis zu zehn Hirsche in der näheren und weiteren Umgebung,
und öfter in der Nacht machte ich mein Schlafstubenfenster auf, um
in den Rüben, Kartoffeln und Wruckenschlägen die schreienden
Hirsche zu verhören, um danach am Morgen den Pirschgang einzurichten.
Erlegt wurden im Durchschnitt in Mandelatz zwei bis drei Hirsche, sechs
bis sieben Kahlwild, gegen zwanzig Sauen, zwanzig bis dreißig Hasen,
vier bis fünf Rehböcke und sechs bis sieben Rieken, gegen zwanzig
Füchse nur im Herbst und Winter , gegen dreißig Enten, fünf
bis sechs Waldschnepfen u. a., und ungefähr ähnliche Strecke
wurde in Kiefheide gemacht. Es grenzten, wie schon erwähnt, Rittergut
Vietzow, von Rhoeden, 4000 Morgen Wald, von Versen, Burzlaff, 3000 Morgen
Wald, Gut Neuhof, Poebe, 900 Morgen Wald, und Klein Dubberow 4200 Morgen,
Besitzer von Kleist, und es lag Kiefheide als Herz mitten drin,
wo jetzt auch Wild war, da seine Schonungen herangewachsen waren.
Kurt Treichel erlegte einen starken Vierzehnender in Brunft 1939, da
ich Soldat war. Bruder Reinhard bekleidete einige hohe Ämter in Stettin und war nur ab und zu zu Hause. Somit wirtschaftete ich fast immer selbständig;
dazu hatte ich noch einige Ämter wie Amtsvorsteher und Bürgermeister,
und ich war beeidigter Sachverständiger der Industrie- und Handelskammer
zu Köslin bzw. Stolp. Es oblag mir die Begutachtung von Saat und Speisekartoffeln,
die Probenahme von Sämereien und Getreide, und ich hatte somit voll
zu tun. Unterstützt wurde ich zum Teil durch Hilfsförster Ketelhut,
der Mädchen für alles war und einmal, da Schwägerin Ella
den Arzt plötzlich empfangen mußte, mußte Ketelhut sie
beim Pfannkuchenbacken ("Berliner") anlösen. Da der Arzt aber die
Haustür vorne verschlossen vorfand, ging er nach hinten durch die
Küche, wo er Ketelhut im Försterhut am Herd sah. Wir haben oft
darüber gelacht.
Ketelhut war ein zuvorkommender und bescheidener Mann, 26 Jahre alt,
zog von uns zu Prinz von Hohenzollern, Domäne Gramenz, Krs. Neustettin,
und bewirtschaftete dort 500 Morgen Bruchwald und größere, fischreiche
Seen. Er ist im Kriege 1939/45 leider gefallen. Gramenz war ca. 20.000
gr. Morgen groß und wohl das größte Gut in Pommern.
Da Bruder Reinhard krank aus dem Kriege 1914/18 mit Malaria heimkehrte,
war er immer etwas leidend und verstarb 1936, 43 Jahre alt in Stettin im
Karolusstift. Reinhard ruht in Mandelatz auf dem Friedhof in der Nähe
seiner Eltern. Er hatte ein selten großes Trauergefolge.
Von einer Tante Hulda Behling erbte er von Seiten seiner Frau ein Haus
in Belgard Vorwerk, welches sie sich als Altenteilssitz gebaut hatte, und
das Reinhard nach dem Tode der Tante Hulda für 15.000 RM an Postinspektor
Otto, Großtychow, verkaufte. Dieser Betrag kam dem Betrieb Mandelatz
zugute. Herr Otto setzte sich dort zur Ruhe. Zum Haus gehörte ein
Morgen Wiese und wohl auch Acker.
Mit meiner Mutter habe ich wohl gegen 20 Jahre häuslich zusammengewohnt,
und zwar im Hause rechts. Sie hat hier oft allerlei Dinge und Erlebnisse
aus ihrem Leben erzählt, und wenn sie des Abends im Bett lag, so betete
sie, ebenso am Morgen, und ich horchte aufmerksam zu. Sie verrichtete bis
zuletzt noch allerlei Hausarbeiten und war recht rüstig. Sie starb
am 13.01.1937 mit 80 Jahren in Belgard, ein halbes Jahr nach dem Tode ihres
Sohnes Reinhard, und ruht auf dem Mandelatzer Friedhof neben ihrem Gatten
Theodor Haeger. Sie konnte Reinhard nicht mehr folgen, da sie schon leidend
war. Sie war eine selten treusorgende Mutter. Ich bewohnte nun die zwei
Stuben allein, und in der ersten Zeit fehlte immer etwas - die Mutter,
mit der ich mich so oft unterhalten hatte.
Ich habe Mandelatz dann weiter bewirtschaftet, bis 1942, wo ich dann
zu meiner Frau nach Zarnefanz ging und die Wirtschaft übernahm, da
Schwiegervater Friedrich Maaß an Schlaganfall erkrankt war. Er starb
am 18. Juni 1943 in Zarnefanz und ruht auf dem Zarnefanzer Friedhof ohne
Denkmal, da Krieg war, und kein Grabmal zu haben war und später dann
die Russen und Polen einmarschierten.
Ich verheiratete mich am Geburtstag meiner Frau, am 19. Oktober 1934,
mit Martha Maaß, geb. 19.10.1905 in Zarnefanz, getraut in Neubuckow
von Pastor Raske, aus welcher Ehe zwei Kinder waren:
- Konrad Hermann Theodor
- Werner Kurt Walter
Nach meiner Verheiratung wirtschaftete ich auch weiter in Mandelatz, da
Schwiegervater die Wirtschaft nicht übergeben wollte. Er war ein recht
sparsamer, aber überaus ordentlicher Hausvater und Bauer, und er wirtschaftete
nach alten Methoden. So besaß er keine Kreissäge und moderne
Dreschmaschine. Sein Stolz waren die Pferde, Wagen, Geschirre u. a.
Er besaß in Zarnefanz eine komplette Werkstätte vom Nagelbohrer
bis Hobelbank und von der Bohrmaschine bis zur Feldschmiede, und oft im
Winter war er darin beschäftigt. Die Wirtschaftsgebäude und Haus
sowie Arbeiterhaus an der Straße waren sämtlich von ihm gebaut
oder untermauert.
Er wurde von allen Menschen, die ihn kannten, gachtet und geehrt, und
er hat sich wohl in seinem ganzen Leben mit keinem gestritten noch gezankt.
Wenn ihm etwas nicht paßte, ging er seinen Weg weiter und ließ
den Betreffenden stehen. Friedrich Maaß rauchte und trank nicht.
Er war am 30. Januar 1864 in Zarnefanz, Krs. Belgard geboren. Ich siedelte
1942 zu ihm, da er krank lag und nicht mehr wirtschaften konnte. Auf der
ganzen Wirtschaft fand ich aber nicht eine fremde Arbeitskraft vor. Die
letzte hatte man in den Krieg eingezogen und eine neue wohl gestellt, die
aber nicht zu gebrauchen war. Ich schickte nun Bärwald zur Frühjahrbestellung
nach Zarnefanz, der gut pflügte und eggte, und ich sah von Zeit zu
Zeit nach dem Rechten. Dann mietete ich einen Burschen und bekam später
einen Polen zu. Jetzt drehte sich schon das Rad der Wirtschaft, und hinzu
kaufte ich eine moderne Dreschmaschine, Kreissäge usw. Im ganzen steckte
ich 6000 RM so in die Wirtschaft. Da der meiste Acker Mittelboden war,
hatte ich sehr gute Ernten. Bisher war die Scheune nicht voll geworden,
wenigstens bei der Übernahme nicht, so hatte ich im ersten Jahr eine
Roggenmiete auf dem Hauptplan bei Köller, aus der ich 109 Zentner
Roggen drosch. Ich erntete teils bis zu 15 Ztr. Roggen pro Morgen. Dann
teilte ich den Hauptplan und Mergelberg in sieben Schläge, er war
vom Finanzamt Belgard mit der Zahl 47 bonitiert, und bei 47 fing Weizenboden
an. Ich bewirtschaftete nun beide Wirtschaften.
Der Vater von Friedrich Maaß, Zarnefanz, war Bauer August Maaß,
er stammte aus Lenzen, Krs. Belgard, und hatte sich in Zarnefanz angekauft,
in der Nähe des Gutes, im späteren Gärtnerhaus Honinth (1945). Da er in der Nähe des Gutshofes wohnte, wollte ihn der Gutsherr
dort gerne weg haben und baute August Maaß die Wirtschaft dorthin,
wo sie heute steht (bzw. 1945 stand). Es muß dies 1860 gewesen sein,
denn meine Mutter ist noch im späteren Gärtnerhaus geboren und
im Alter von drei Jahren nach der heutigen Stelle verzogen.
Die Wirtschaft war 120 gr. Morgen groß, 60 Morgen Acker, 20 Wiesen
und 40 Wald. Der Gutsherr von der Lühe wollte einen Bauern nicht so
dicht an seinem Gutshof haben und bot dem Großvater meiner Frau,
August Maaß, einen Tausch an, worauf er einging, weil er wohl Vergünstigungen
hatte, und von der Lühe baute ihm die Wirtschaft auf die heutige Stelle.
Er hätte ihm noch andere Wünsche erfüllt, doch war August
Maaß nicht anspruchsvoll.
August Maaß ist wohl 1896 gestorben, und sein jüngster Sohn
Friedrich übernahm die Wirtschaft. Meine Mutter erzählte mir
öfter, daß sie am Krankenbett ihres Vaters war und Bruder Reinhard
mitgenommen hatte, der drei Jahre alt war, und Reinhard ist 1893 geboren.
Friedrich
Maaß heiratete nach dem Tode seines Vaters Emilie Müller,
Groß Dubberow, wie schon beschrieben.
Von 1940 ab bis zur endgültigen Übersiedlung im Juli 1942
nach Zarnefanz bewirtschaftete ich beide Betriebe und fuhr öfter mit
dem Auto von Mandelatz nach Zarnefanz und zurück. 1942 ging ich dann
zu meiner Frau nach Zarnefanz, und mein Nachfolger in Mandelatz war ein
landwirtschaftlicher Beamter. Aber ich fuhr immer gerne - meistens sonnabends
- von Zarnefanz nach Mandelatz, wo ich immer noch die Jagd ausübte
und manches Waidmannsheil hatte. Es wurde mir jedes Mal schwer, von Mandelatz
Sonntag oder Montag wieder Abschied zu nehmen, zumal ich in Zarnefanz körperlich
viel mehr arbeiten mußte und auch keine Jagd hatte. Zwar durfte ich
auf dem Gut bei Major Hell die Jagd ausüben, was mich aber nicht ganz
befriedigte, da es doch immer nicht mein eigenes Revier war. Hier erlegte
ich mit meinen guten Waffen mehrere starke Keiler, und Konrad begleitete
mich öfter. Förster Knabe war dann neidisch. Konrad war damals
wohl sieben bis acht Jahre alt, und er behauptet, das noch zu wissen. Im
Revier Zarnefanz war lange nicht soviel Wild wie in Mandelatz, es grenzte
aber Gut Bergen (von Borris), wo es viel Rot- und Schwarzwild gab und ich
öfter zur Jagd eingeladen wurde.
Ich möchte nun noch etwas über die Wirtschaft in Mandelatz
schreiben, besonders über frühere, spätere und letzte Zeiten.
Es wurde angebaut bei 9 Schlägen á 35-40 Morgen und 5 Außenschlägen
á 22-30 Morgen bei meinem Vater ca. 100-120 Morgen Roggen. 1 Schlag
= 35 Morgen Gemenge-Hafer mit kleiner Felderbse als Futter für die
Schafe. Zu damaliger Zeit wurden noch 300 Schafe gehalten. An Hafer ca.
80 Morgen. An Klee bei dreijähriger Brache ca. 40 Morgen, da Mandelatz
wiesenarm war und mehr schlechtes Heu hatte als gutes. An Kartoffeln ca.
40 Morgen, Rüben 2-3 Morgen, Saatseradella zu Saat und Heu 25 Morgen,
1-2 Morgen Lein. Zu damaliger Zeit gegen 1910 faßten die vorhandenen
Scheunen alles Getreide, im Notfalle wurden einige Scheunendielen bepackt,
und ich entsinne mich, in dieser Zeit eine Kornmiete gesehen zu haben.
Roggen brachte 8-10 Zentner pro Morgen, je nach Jahr.
Bei der späteren Wirtschaft, bei zweijähriger Brache und
7 Schlägen, die kleefähig waren, und 5 Außenschlägen,
waren fast immer 1-2 Roggenmieten á 250-300 Zentner und fast alle
Scheunendielen bepackt, zum Teil wurde bei beständigem Wetter vom
Felde gedroschen, pro Tag bis 120 Ztr. Roggen. Schafe wurden noch bis 150
Stück gehalten. An Anspannung 8-9 Pferde, 1 Lanz 38 PS Trecker, an
Leuten 15-16 Mann und 2 Holzschläger (Waldarbeiter), die in der Ernte
mithalfen. Bei Aufforstungen (Kulturarbeiten) hatte ich je nach Fläche
bis 25 Frauen und größere Schulkinder.
Man sieht also, daß bei neuerer, intensiverer Wirtschaft fast
das Doppelte geerntet wurde, und ich bin heute der Ansicht, daß es
noch lange keine Höchsternten waren, wenn ich daran denke, daß
hier, in der gesegneten Marsch 2-3 Ztr. Stickstoff pro Morgen zu Getreide
(Weizen) gestreut werden. Wir hätten zu Hause nur Lagerkorn gehabt.
Zu Kohl werden hier 6 Ztr. pro Morgen gegeben und der Acker gut gedüngt,
aber nur zu Kohl (leider).
Wie ich schon vorhin erwähnte, stand in Kiefheide das Jagdhaus,
und Onkel Knuth, Berlin-Pankow, wohnte auch einmal im Winter bei
Schnee darin. Kurt Treichel, der auch in Mandelatz war, leistete
ihm dort auf einige Tage Gesellschaft. So ging Onkel Knuth jeden Abend
oben an der Neuenhofer Grenze an die Wiese, wo sich immer Hirsche fährteten.
Er hielt aber immer nur bis zehn Uhr abends aus, weil er dann fror, da
er keine Unterhosen trug. Dies war schon einige Abende so gegangen, und
Kurt machte Herrn Knuth den Vorschlag, doch einmal zu tauschen, worauf
Onkel Knuth einging, und dann Kurt einen Hochsitz ca. 300 m hinter dem
Jagdhaus einnahm. Kurt war aber erst gegen 9 Uhr abends losgegangen und
nahm an, daß die Hirsche spät kämen. Er saß in einem
Schirm aus Kiefernstrauch und Wacholder, und mit der Zeit pustete die Kälte
durch. Es lag etwas Schnee, und es war kalt, am Abend taute es aber, und
es schien kein guter Mondschein. So saß Kurt wohl einige Stunden,
bis gegen elf oder zwölf Uhr erst ein schwacher Hirsch austrat, dann
ein etwas stärkerer und noch ein Hirsch, dann ein ganz starker, und
Kurt hatte doch etwas Herzklopfen bekommen, da der Starke die Schwächeren
vorwärts trieb. Er schoß nun durchs Fernrohr, welches auch noch
nicht das beste war, und die Hirsche gingen flüchtig ab. Beim Zielen
hatte er sich ordentlich anstrengen müssen, da schlechter Mondschein
war. Kurt hatte nun vom Bahnhof aus Reinhard angerufen, der in der Nacht
mit Albert und Schlitten nach Kiefheide fuhr und mit der Fahrradlampe Nachsuche
hielt. Albert hatte gesagt: "Hier ist Blaut, hier...och wo hei blött
heb, kiek eis hie!"
Nach ca. 100 m lag dann der Hirsch verendet mit gutem Blattschuß,
ein sehr guter Zwölfer zu damaliger Zeit. Onkel Knuth hatte eine Rotte
Sauen beim Hochsitz gehabt, war mit der Drillingsmündung gegen das
Fenster gestoßen, und alle Sauen waren mit lautem "Wuff" abgegangen.
Es wurden in einer Mondscheinnacht in Mandelatz von Siegfried unter
Kurts Führung zwei Stück Keiler und in Kiefheide von Scheunemann
zwei starke Keiler und ein stärkerer Keiler von Ruske erlegt. Fünf
Keiler in einer Nacht waren doch zu viel, aber es war auch viel Wild da
"und viel Wildschaden".
Da sich in Mandelatz immer mehr Jäger einfanden, so z. B. Ruske,
Ohlow Priebe, Max Redicke und Scheunemann, Belgard, und schon eine ziemliche
Uneinigkeit und Jagdneid herrschte, suchte ich in anderen Revieren, so
in Klein Dubberow, Jagdanschluß. Förster Koglin hatte einen
ziemlich hohen Abschuß zu erfüllen, und so fuhr ich von Zarnefanz
aus an einem Sonntag zum Forsthaus Fundel. Koglin und ich erlegten an diesem
Sonntag bis zwei Uhr nachmittags sieben Stücken Hochwild, und zwar
drei Stücke Rotwild und vier Stücke Schwarzwild. Koglin schoß
noch einen Überläufer vorbei, es wären sonst acht Stücken
gewesen (beim Pirschen und Selbstzudrücken).
Zum Schluß des Krieges verfügte der Kreisjägermeister
Weske, Schinz, daß Scheunemann, Belgard, und ich nur Mandelatz und
Kiefheide bejagten. Wir sind dann beide sehr gut miteinander ausgekommen.
Scheunemann erlegte 1943 in der Brunft einen guten Zwölfer Hirsch
auf dem Kreuzgestell-Rohrwiesenschonung von der Kanzel aus, die auf dem
Kreuz stand. Es war in der Feistzeit und ich beobachtete ihn durchs Glas
vom kleinen Wildacker aus.
So habe ich unzählige jagdliche Freuden im herrlichen Mandelatz
gehabt, und wenn man am Tage Ärger in der Landwirtschaft hatte, so
ging man zur Erholung abends in den Wald, eventuell als stiller Beobachter
des Wildes, und setzte sich auf einen Hochsitz.
Die Familie Haeger hat also in 60 Jahren ganz Mandelatz und Vorwerk
Kiefheide neu aufgebaut und viel Geld hineingesteckt. Ich selbst erhielt,
da Reinhard die Wirtschaft übernahm, 100.000 RM und den Erbteil von
meiner Mutter nach deren Tode von 30.000 RM, welche ich durch die Inflationszeit
1920-23 bis auf einen Rest verlor. Es war dies auch mit ein Grund, Mandelatz
zu hüten, da ich das, was mir zusagte, nicht mehr kaufen konnte. Außerdem
hielten mich meine Mutter und Herr Schulz vom Kauf einer Landwirtschaft
in Größe von 500 bis 1000 Morgen zurück, da alle keine
Inflationszeit kannten. Dieses Geld, 130.000 RM, war vor 1914 da! Ich siedelte
mit 15.000 RM, die ich durch die Inflationszeit gerettet hatte, nach Zarnefanz
über. In Mandelatz hatte ich ein Pferd frei, dies setzte ich öfter
um und kaufte in vier Wochen mal keins und bekam für den Erlös
von 15.000 RM nur noch ein Fohlen. So ist es ja aber Tausenden gegangen.
[Weiter: Krieg und Vertreibung]
|